Es war ein guter Tag, wie ich fand. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als ich in einen kleinen Park einbog, um auf der Terrasse eines mir bekannten, gediegenen Ausfluglokals mit dem passenden Namen „Das kleine Ausflugslokal“ eine Tasse Tee zu genießen. Kaum hatte ich die ersten Schritte auf dem von verblühenden Rhododendren gesäumten Kiesweg getan, als eine furchtsam über die Schulter schauende Mutter, die ihr weinendes Kind hinter sich herzog, an mir vorbeieilte. Was konnte diese Frau so erschreckt haben? Hatten gewalttätige Rentner mit zu Tode gefütterten Tauben nach ihr geworfen? Hatten Mofarocker die Macht über den Park übernommen? Waren die Toten aus ihren Gräbern gekrochen? Sollte ich weniger Zombiefilme anschauen? Der Grund, warum mehr und mehr Menschen verängstigt dem Ausgang des Parks entgegenströmten, war in struppiges graues Fell gewandet und hieß Hannibal. Mit großer Freude zerriss er gerade eine Ente, die es nicht für nötig gehalten hatte, vor so einer nicht eben beängstigend aussehenden Töle zu weichen. Die Federn flogen ihm noch um die Schnauze, als er sich seinem nächsten Ziel zuwand. Ein nicht mehr der unmittelbaren Jugend zuzuordnender Herr mit grauem Haar und einer Glasbausteinhornbrille, dessen Zivi feige die Flucht ergriffen hatte, saß hilflos in seinem Rollstuhl und versuchte, sich eigenständig aus der Gefahrenzone zu bringen. Dass er nur einen Arm hatte, war ihm dabei wenig behilflich. Noch weniger hilfreich war Hannibals Herrchen, der sich weit entfernt vom Geschehen mit einer anderen Hundebesitzerin unterhielt, die ihre Pudeldame vorsichtshalber lieber auf dem Arm hielt. Das Hündchen zitterte wie blöd, obwohl es ein rosa Strickkleidchen anhatte und es nicht kalt war. Ängstlich witterte es zu Hannibal herüber. Ungerührt warf dessen Herrchen gelegentlich einen stolzen Blick zu seinem kleinen Racker und wies die Pudelbesitzerin darauf hin, was für ein verspieltes Tier sein Hannibal doch war. Ich hatte dem Treiben eine Weile fassungslos zugeschaut. War ich zuerst froh darüber gewesen, nicht der Mittelpunkt von Hannibals Aktivitäten zu sein, hatte sich meine anfängliche Mutlosigkeit, die mich bei seinem Anblick erfasst hatte, in Empörtheit verwandelt und sich nach und nach zu Ärger und Wut über dieses verantwortungslose Verhalten gesteigert. Tapfer trat ich wieder hinter meiner Hecke hervor, die mir als … ähm … Beobachtungsposten gedient hatte und entsann mich meiner Rolle als Hannibalbezwinger. Ich hatte die Schnauze gestrichen voll und so sollte es Hannibal auch gleich ergehen. Dieser sprang am Rollstuhl des wild mit seiner Hand fuchtelnden Pensionärs hoch und knurrte dabei böse. Gedanke und Handlung waren eins, als ich einen Stein aufnahm und mit voller Wucht Richtung des Übeltäters warf. Dass der Stein sein Ziel knapp verfehlte und den alten Mann an der Stirn traf, war bedauerlich, aber nicht zu ändern. Kollateralschaden. Der zweite Wurf war besser gezielt und traf Hannibal mitten auf seine kalte Hundeschnauze. Laut aufheulend wollte er sich auf seinen neuen Feind stürzen, wurde aber gewahr, dass es sich dabei um das Exemplar Mensch handelte, das ihn neulich so unfreundlich ins Gesicht getreten hatte. Mein Tritt hatte sich offensichtlich nachhaltig in seinem Gedächtnis verankert. Seine Angriffslust verwandelte sich in Erkenntnis, optisch gut belegbar an der eindeutigen Demutsgeste des eingezogenen Schwanzes und am rückwärts gerichtete Laufverhalten. Das Herrchen, welches laut protestierend seinem Vierbeiner zur Hilfe eilen wollte, erkannte ebenfalls, mit wem er es zu tun hatte, senkte das Haupt, ließ blitzschnell die Leine verschwinden und trat schleunigst und unbeteiligt den Rückzug an. Rückgratlos ließ er dabei Hannibal im Stich und tat so, als ob es nicht sein Hund wäre, der da schutzsuchend auf ihn zurannte. Es war mir bisher nicht klar gewesen, welch großes schauspielerisches Talent Hannibals Herrchen hatte. Er sah aus, als ob er vor lauter Unbeteiligsein im Zeitlupentempo lief, überholte dabei aber mühelos einen Jogger. Ebenso schnell wie die beiden verschwunden waren genauso schnell füllte sich der Park erneut mit Menschen, die von Bäumen herunterkletterten oder hinter Sträuchern hervorkamen. Nicht nur ich war der Tyrannei Hannibals hilflos ausgeliefert gewesen. Doch das war für alle Zeiten vorbei. Nachdem die beiden Despoten den Park verlassen hatten, herrschte für einen kurzen Augenblick erleichterte Ruhe. Es war wie ein Atemholen, wie im Auge des Orkans. Ein kleines Mädchen machte den Anfang, indem es mir eine Blume pflückte, auf mich zu ging und sie mir mit einem schüchternen „Danke, lieber Onkel“ überreichte. Der Vater der Kleinen klopfte mir dabei kumpelhaft auf die Schulter. Mehr und mehr Menschen, groß und klein, alt und jung, kamen herbei, bedankten sich bei mir und applaudierten mir zu. Man nahm mich auf die Schultern und in einer tosenden Prozession wurde ich ob meiner Heldentat gefeiert und durch den Park getragen. Wie ich so herumgereicht und bejubelt wurde, kam es, dass unser Zug an einem hübschen, mit Rosen umrankten Pavillon vorüberkam. Eine einzelne Bank stand darin und diese wurde geziert von niemand anderem als Natascha. Meiner Natascha. Amor, der scherzhafte Wüstling, hatte aus dem Hinterhalt und völlig unerwartet seinen Pfeil abgeschossen und einen Volltreffer erzielt. Ich hieß meine Träger mich absetzen und ging auf Natascha zu. Unterdessen hatte die Menge mich und den Grund ihrer Euphorie längst vergessen und feierte ausgelassen weiter. Die Speisung der Fünftausend. Ein Wunder. Man ließ sich auf den großzügigen Rasenflächen nieder. Decken wurden ausgebreitet. Wie herbeigezaubert erschienen von überallher Wein, Brot und Go-go-Tänzerinnen. Erinnerungsphotos wurden gemacht. Zum Zeichen neuer Freundschaften wurden Mobiltelefone und andere Kleinigkeiten ausgetauscht und so manche Ehe wurde geschlossen oder erneuert. Die Wartezeiten für Trauungszeremonien verlängerten sich erheblich und neue Gotteshäuser mussten gebaut werde, um dem Ansturm kirchlicher Trauungen gerecht werden zu können. Ja ja, der Flügelschlag eines Schmetterlings. Ich nahm an diesem Fest der Sinne nicht teil. Weltliche Tollerei. Vergängliche Freuden. Flüchtiges Vergnügen. Ich hatte wichtigeres zu tun, denn ich liebte. Ja, ich liebte. Und wurde geliebt. Ach, die Liebe. Ist sie nicht das Wunderbarste auf der Welt. Das Schöne daran ist, dass es so viel Liebe gibt. Für jeden eine und jede ist anders. Es gibt die Liebe, die nichts will außer einem flüchtigen Lächeln. Die alles verzehrende Liebe. Die geile, wollüstige Liebe. Die feine, die starke, die fordernde, die leise, die laute, die gierige, die nehmende, die gebende, die unausgesprochene, die uneingeschränkte Liebe. Die Liebe als Spiel. Die Liebe als Inhalt. Die Liebe als Inszenierung. Liebe ist rosa. Liebe ist selbstlos oder eine Arschgeige. Liebe hält die Welt zusammen und bricht sie entzwei. Bei mir macht sich Liebe dadurch bemerkbar, dass ich das Gefühl habe, den linken Schuh rechts zu tragen und den rechten links. Genauso verhält es sich mit meinem Sprachzentrum, das seinen Platz mit einem Teil des Gehirns vertauscht, auf den ich keinen Zugriff habe, was zum Verlust klarer Artikulationsformen führt. Wenn ich ein gestammeltes „Hallo“ herauskriege, ist das gleichbedeutend mit der Erfindung der Sprache. Meistens bleibt es aber beim Stammeln, ohne dass ein erkennbares Wort meinen Mund verlässt. Zum Glück hält die Wirkung nicht lange an. Nach anfänglichem Totalausfall nähere ich mich bald wieder meiner üblichen Sprachlosigkeit an, die im Vergleich zum vorherigen Zustand das Tratschen eines Marktweibes ist. So stolperte ich also ungelenk und sprachlos auf Natascha zu. Was für ein entzückendes Bild, welches sich mir dort unter dem Rosenblütendach des Pavillons bot. Ihr dunkelblondes Haar mit der heutzutage unüblichen Dauerwelle war an einer Seite mit dem Stiel einer Rose hochgesteckt und gab ihr reizendes Ohr frei. Was sag ich? Ohr? Ein Öhrchen, ein Kleinod unter den Hörgeräten. Ein einsamer Ohrring mit Rubinimitat glänzte in der Sonne, ohne ihren noch röter glänzenden Lippen ihre Schönheit stehlen zu können. Ihr züchtig abgewandter Blick ging zu Boden. Genau wie ich. Ich war George Foreman in der achten Runde und sie Muhammad Ali. Denn in dem Moment, in dem ich mich so weit gesammelt hatte, um sie anzusprechen, hob sie langsam, gaanz langsam, ihren Blick und schaute mir tief in die Augen. Dabei flatterten ihre langen, falschen Wimpern. Sie klimperte mir damit zu und wusste mich fest in ihrem Bann. Ihre Zunge leckte über ihre Lippen und sie hauchte meinen Namen. Weichzeichner. „Attila, schön dich zu sehen“, sagte das sündige Weib, und jede einzelne Silbe war eine Verlockung, eine Versuchung, ein Angebot. Vor mir saß Lilith, die erste Hure. Hatte ich überhaupt Geld dabei? Mann, das wär ja was. Äh, nimmst du auch Kreditkarten oder ’n Scheck? Das war bestimmt der falsche Beginn. Also noch mal. „Hallo, Natascha“, hauchte ich zurück und hoffte, wenigstens annähernd so verführerisch zu klingen wie sie. Es gelang mir nicht, aber ganz Gentlewoman überhörte sie es und bat mich, mich zu setzen, indem sie mit ihrer flachen Hand auf den Platz neben ihr tätschelte. Ob sie dasselbe gleich mit meinem Oberschenkel machen würde? Ich war einer Ohnmacht nahe und setzte mich in einem Abstand, der mir sittsam genug erschien, ihr es aber immer noch ermöglichte, mein Bein mit ihrer Hand zu erreichen. „Sei doch nicht so schüchtern, Attila. Komm ein bisschen näher, ich werd‘ dich schon nicht beißen.“ Dieses Lächeln. Ich rutschte ein bisschen näher. „Aber vielleicht werd‘ ich dich küssen.“ Ich kämpfte mit der zweiten Ohnmacht, brachte es aber fertig, ein „Äh, toll“ zu stottern. Nach der Beziehung mit Helene, sofern man von einer Beziehung reden konnte, denn meines Wissens gehörten dazu immer zwei, hätte ich niemals gedacht, dass es mir so schnell gelingen würde, eine Frau zu lieben. Helene hatte es geschafft alle Gefühle oberhalb der Gürtellinie in mir abzutöten und selbst die Gefühle unterhalb der Gürtellinie waren keimfrei gehalten worden. Der Drang mich zu verlieben, mich voll und ganz einer Person hinzugeben, die sich mir voll und ganz hingab, wurde übermächtig. Was konnte man zu zweit, einander in Liebe verbunden, nicht alles erreichen. Die Welt würde uns gehören. Uns und unseren zahlreichen Kindern und wiederum deren Kindern. Wir würden eine Dynastie gründen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte. Starke, kluge, schöne Jungen und Mädchen, die alle Natascha und Attila heißen würden. Die Nobelpreise unserer Nachkommen würden unseren gediegenen Altersruhesitz schmücken. Ich würde mich genüsslich zurücklehnen, dicke Havannas rauchen, auch wenn sie mir nicht schmeckten, und auf ein Leben voller Glück und Erfüllung zurückschauen und gelegentlich, an besonders glücklichen Tagen, würde ich Nataschas Hand auf meinem Schenkel spüren und wir würden einen weiteren Nobelpreisträger zeugen. Ich war verliebt wie nie zuvor, und das hatte ich auch verdient. Und sie? Ein kleiner banger Moment der Realität versuchte, sich bemerkbar zu machen. Ich schmiss ihn raus. Sollte er seine Zweifel doch woanders streuen. Zauderer haben noch nie Geschichte geschrieben. Ich öffnete meinen Mund, um sie an meinen, an unseren Zukunftsplänen teilhaben zu lassen, doch sie legte mir zärtlich ihre Finger auf die Lippen. „Sch“, sagte sie in ihrem weichen Akzent und: „Hast du Geld dabei?“ Der kleine bange Moment der Realität drängelte sich zwischen uns beide und lachte höhnisch. Sein Gesichtsausdruck sagte „Na. Naa. Hab ich‘s nicht gesagt?“ Ich schnippte ihn mit den Fingern in den nahegelegenen Teich, den Enten zum Fraß. Geschah dem Dreckskerl recht. „Hast du Geld dabei?“, hatte sie gesagt. Ich hatte mich nicht verhört, denn gerade hatte sie sich deutlich wiederholt. Ich war ehrlich enttäuscht, beinahe ungehalten. Das war nun wirklich nicht die Art, wie man mit einem Liebesgeständnis umging. Die Liebe schlenderte zu dem kleinen bangen Moment der Realität, der verzweifelt gegen die Enten kämpfte, zog ihn aus dem Teich und rubbelte ihn mit einem mitgebrachten Handtuch trocken. Dann nahm sie ihn in den Arm und zog ihn mit sich mit. Bevor sie engumschlungen hinter einer Wegbiegung verschwanden, drehte sie sich noch mal zu mir um und hob die Hand. Captain Ahab winkte zum letzten Gruß, bevor ihn der Meeresboden ruft. „Liebe ade“, flüsterte ich den Tränen nahe. „Aber was hast du denn, Attila?“, brachte mich Nataschas Stimme wieder in die Wirklichkeit. „Auf jeden Fall keine hundert Euro“, zischte ich gereizt. „Aber so viel brauchen wir doch gar nicht.“ Ihr Ton war nach wie vor liebevoll und nichts deutete auf ein professionelles Verkaufsgespräch hin. Auf was lief das hier eigentlich hinaus? Ach so, Freundschaftspreis. Oder steckte doch etwas anderes dahinter? Ich sah, wie die Liebe wieder um die Wegbiegung kam und dabei versuchte, den kleinen bangen Moment der Realität abzuschütteln. Recht grob sogar. Soviel Brutalität hätte ich der Liebe gar nicht zugetraut. „Für was brauchen wir denn das Geld?“ Zögernd ließ ich einen Testballon steigen. „Für was du möchtest. Wir können ins Kino gehen, Minigolf spielen, ein Eis essen. Ich hab heute meinen freien Tag, weißt du.“ Die Liebe trat dem mittlerweile auf dem Boden liegenden kleinen bangen Moment der Realität gerade in die Nieren und setzte sich dann zwischen uns auf die Banklehne. Nicht ohne vorher den kleinen bangen Moment der Realität an die Enten verfüttert zu haben. Ich streichelte der Liebe liebevoll über ihr Köpfchen und tat dasselbe dann bei Natascha. „Was immer du möchtest“, schmachtete ich. „Nein. Was immer du möchtest“, flüsterte sie. So ging das eine Weile hin und her, bis wir uns entschlossen hatten, noch ein wenig auf der Bank sitzen zu bleiben und uns verliebt in die Augen zu schauen. Dann spielten wir ein bisschen Minigolf und schauten uns dabei verliebt in die Augen. Als wir mit spielen fertig waren, kauften wir uns Eis. Beim Eisessen schauten wir uns verliebt in die Augen. Auf einen Kinobesuch verzichteten wir, da wir uns dabei nicht verliebt in die Augen schauen konnten. Es war mittlerweile dunkel geworden, weswegen es uns schwerer fiel, uns verliebt in die Augen zu schauen. Wir gingen in ein verschwiegenes Lokal, schwiegen und schauten uns verliebt in die Augen. Irgendeiner von uns sollte jetzt etwas sagen, damit es nicht zu einer unangenehmen Pause kam. Wir waren an einem sensiblen Punkt unseres Treffens angekommen. Eine kritische Situation. „Willst du noch mit zu mir kommen?“, hörte ich mich fragen. Wenn das mal nicht zu forsch war. So was konnte schnell ins verliebte Auge gehen. Sie schaute mich so lange an, wie ein Heißgetränk benötigt, um zu einem Kaltgetränk zu werden, und machte dabei einen verliebten Eindruck. Nichts ließ auf Missgunst oder gar Ablehnung schließen. Auch ich fühlte mich nicht unwohl, während ich auf ihre Antwort wartete. Wir waren das harmonische Epizentrum dieses Raumes. Alles war in milde Pastellfarben getaucht, das Stimmgewirr um uns herum erreichte mein Ohr wie durch rosa Watte gedämpft. Nur ihre Stimme war rein und klar wie das Singen der himmlischen Heerscharen, als sie mir antwortete. „Weißt du Attila, ich mag dich sehr, aber …“ Nebensätze, die mit „aber“ anfangen, deuten für gewöhnlich darauf hin, dass der Hauptsatz anders zu Ende geführt wird als er angefangen wurde. „… aber so Eine bin ich nicht. Das geht mir zu schnell. Wir sollten nichts überstürzen und nichts Unüberlegtes tun, das wir nachher bereuen könnten. Ich denke, es ist gut, wenn jeder von uns alleine heimgeht, um den Zauber dieses Augenblicks nicht zu zerstören.“ Konnte ich plötzlich weißrussisch oder warum verstand ich sie auf einmal so gut? Sie sprach mir aus der Seele, wenn auch nicht aus der Hose. Aber natürlich hatte sie recht. So ein zärtliches Pflänzchen wie die Liebe durfte man nicht mit bloßen Körperlichkeiten beschmutzen. Hatte ich denn nichts gelernt? Die Minne war so ein hohes Gut, dass sie alleine der unreine Gedanke entweihen konnte. Sagte nicht schon Walther von der Vogelweide, dass die Minne die Fülle aller guten Eigenschaften ist? Das beinhaltete die schnelle Vereinigung auf meiner unaufgeräumten Couch ganz bestimmt nicht. „Ja, du hast recht“, sagte ich. Unsere verletzlichen, verliebten Seelen waren in völligem Einklang. „Bringst du mich nach Hause, Attila?“, fragte sie mich leise und ohne schmutzigen Hintergedanken. Arm in Arm gingen wir durch die vom Mond beschienenen Straßen und Gassen unserer Stadt und waren glücklich. Vor ihrer Haustür küssten wir uns noch lange hingebungsvoll, ehe sie mir einen letzten, sanften Kuss auf meine Wange gab, die Tür öffnete und, mir zulächelnd, verschwand.